Die vorgesehene Dauer von Evotraining und zu erwartende Entwicklungsfortschritte

Evotraining ist ein Langzeit-Förderprogramm. - Wer je mit autistischen Kindern zu tun hatte, weiß, dass kurzfristige Maßnahmen hier nichts ausrichten. Wer sich auf Evotraining einlässt, muss unter Umständen mit der Notwendigkeit eines jahrelangen, möglichst täglichen Trainings rechnen. Die Erwartung, dass in wenigen Monaten ein autistisch behindertes Kind „geheilt“ sei, ist ganz unrealistisch. Dennoch erleben wir in unserer Praxis fast durchgängig, dass bei konsequentem Training schon nach den ersten Monaten deutliche Fortschritte zu erkennen sind. Unsere Erfahrung sagt, dass in einem Zeitraum von 3 Jahren wohl auch ein erheblich autistisch behindertes Kind bei intensiver Trainingsarbeit signifikante und für sein Leben entscheidende Entwicklungsfortschritte macht.

Ein solcher Entwicklungsschritt besteht grundsätzlich in einer qualitativen Verbesserung der Sinnesleistungen. Er ist eindeutig erkennbar, wenn oben aufgeführte stereotype Verhaltensweisen weniger werden und schließlich wegfallen. Das Kind hat dann gelernt, von außen kommende Reize richtig(er) zu verarbeiten, so dass es die stereotype Beschäftigung nicht mehr (so sehr) braucht. Das Kind hat zunehmend aufgehört, sich selbst Sinnesreize zu verschaffen, mit andern Worten: Es ist jetzt nicht mehr nur „autistisch“ mit sich selbst beschäftigt, sondern wird dafür offen, was die Außenwelt an Sinnesreizen bietet. So betrachtet ist Evotraining ganz auf die Normalisierung der im Gehirn stattfindenden Verarbeitung der sinnlichen Eindrücke abgestellt, die erst die Basis für jedes weitere Lernen schafft.

Als signifikanten Entwicklungsfortschritt betrachten wir es, wenn ein Kind (im Zuge der Normalisierung der Sinnesverarbeitung) natürlich auch offener gegenüber seinen Mitmenschen wird: Die Eltern spüren eine Verbesserung der Beziehung zu ihrem Kind, sie gewinnen leichter Zugang zu ihm, das Kind wird leichter beeinflussbar und lenkbar, die Eltern und meist auch sonstige Bezugspersonen empfinden eine größere Nähe zum Kind.

Von Entwicklungsfortschritt sprechen wir schließlich auch, wenn nicht nur das allgemeine Interesse des Kindes an Bezugspersonen und Umwelt größer geworden ist, sondern auch, wenn signifikante Veränderungen in der Sprachentwicklung feststellbar sind: wenn Eltern z. B. zum ersten mal bemerken, das verbale Ansprache beim Kind überhaupt ankommt; sodann, wenn deutliche Fortschritte im passiven Sprachverständnis gemacht werden; erst recht, wenn bei bislang nicht sprechenden autistischen Kindern aktive Sprache erstmals einsetzt oder sich gar ein kommunikatives Sprachverhalten zeigt.

Evotraining strebt solche basalen signifikanten Entwicklungen beim autistischen Kind an. Wir sind der Überzeugung, dass erst auf der Basis solcher Fortschritte bisher bekannte Therapien wirklich fruchten können. Autistische Kinder können und müssen sozusagen erst einmal (von außen) bildsam und beschulbar gemacht werden. (Außerdem greifen nach unserer Auffassung in vielen Fällen auch jetzt erst schulmedizinische Diagnoseverfahren und sonstige herkömmliche Testverfahren).

Sollte entgegen der Erwartung, die wir auf Grund unserer durchgängigen Erfahrung mit Kindern gemacht haben, bei einem Kind abzusehen sein, dass keine der beschriebenen signifikanten Fortschritte gemacht werden, wird „Evotraining“ selbstverständlich beendet. In jedem Fall ist die Behandlungsdauer und der Umfang von Beratung und Anleitung zu Evotraining davon abhängig, ob der Erfolg des Trainings von allen für das Kind Verantwortlichen, vorab der Eltern, auch wahrgenommen wird. Ferner wird die Dauer der Anwendung von Evotraining sicher davon abhängen, ob die Eltern bzw. sonstigen Bezugspersonen die Kraft behalten, den Förderweg mit der notwendigen Konsequenz durchzuhalten. Dies hängt erfahrungsgemäß besonders von der persönlichen Belastbarkeit der Eltern ab, dann aber von vielen andern mitspielenden Faktoren, sozialem Status und Umfeld, von der Familienkonstellation, finanziellen Möglichkeiten, Wohnraum, auch vom pädagogischen Geschick im Umgang mit dem Kind, von Vorwissen und Erwartungen bis hin zu Jahreszeit und Wetterlage…

All diese Faktoren spielen nicht nur bei der Frage nach der Dauer von Evotraining eine Rolle, sondern müssen in jedem konkreten Einzelfall in Rechnung gestellt werden, damit die konkreten Trainingsprogramme sowohl das enthalten, was das Kind auf der aktuellen Entwicklungsstufe nötig hat, als auch das, was den Eltern zumutbar ist.