Das Konzept „Evo(lutions)training“ wurde in den letzten Jahren als ein neuer Lern- und Entwicklungsweg von mir vor allem für autistische Kinder entwickelt und praktisch erprobt. Wie wir schon vor etlichen Jahren in unserem Aufsatz „Evolutionstraining, Ein Vorschlag zur Behandlung autistischer Kinder und hirnverletzter Erwachsener“ (Zeitschrift für Heilpädagogik, Heft 12/ 1996, 508-514) ausführten, gehen wir davon aus, dass autistische Störungen ursächlich auf einer frühkindlichen Hirnverletzung beruhen. Diese kann zwar oftmals nicht direkt nachgewiesen werden, wird aber von uns als Ursache für mehr oder weniger massive Wahrnehmungsstörungen in einem oder mehreren Sinnesbereichen angenommen, die sich ihrerseits wiederum in vielfältigen von der Norm abweichenden Verhaltensweisen äußern, vor allem in „stereotypen“ Verhaltensweisen, etwa:
Der Kreis der mit Evotraining zu behandelnden Kinder fällt außer durch die beispielhaft genannten Sensorismen und Verhaltensstörungen meist auch noch durch eine von der Norm abweichende, nicht altersgemäß entwickelte Motorik auf,
Schließlich leiden diese Kinder häufig an massiven Sprachstörungen,
Diagnostisch werden dieese Kinder häufig als „mehrfach behindert“ erfasst, etwa als
Wegen des meist komplexen Störungsbildes mit unterschiedlich extremen Störungsgraden finden wir die Kinder in fast allen sonderpädagogischen Einrichtungen.
Wie angedeutet, gehen wir hier davon aus, dass „autistische“ Kinder hirnverletzt sind, genauer gesagt: das Gehirn des Kindes war zunächst gesund, wurde dann aber zu irgendeinem (meist sehr frühen) Zeitpunkt seiner Entwicklung durch äußere Bedingungen verletzt. Es stellte sich bei den Kindern, die uns bisher bekannt wurden zwar heraus, dass etwa, computertomographische Untersuchungen und EEG „ohne Befund“ waren. Wenn wir dann aber die Mütter über das Leben ihres Kindes „von Anfang an“ befragten, berichteten sie sehr oft, dass es pränatal, unter der Geburt oder postnatal alle möglichen Komplikationen gab:
Erscheinungen, die entweder in keinem Arztbericht standen oder denen jedenfalls später keine ursächliche Bedeutung für die normabweichende Entwicklung des Kindes mehr zugemessen wurden.
Eltern spüren meist sehr früh, dass mit der Entwicklung ihres Kindes „etwas nicht stimmt“, wissen aber wenig damit anzufangen, zum Beispiel
Erst wenn die motorische oder sensorische Entwicklung wesentlich verlangsamt erscheint, die Sprachentwicklung nach dem 2.-3. Lebensjahr noch gar nicht eingesetzt hat, beginnt oftmals – nun erst vom Haus- oder Kinderarzt veranlasst – eine „Odyssee“ durch Kliniken, von Facharzt zu Facharzt und schließlich zu Frühförderstellen und in verschiedenste andere Einrichtungen.
Eltern und Kinder, die bisher Evotraining in Anspruch genommen haben, kommen fast alle, nachdem sie bereits die verschiedensten herkömmlichen therapeutischen Wege beschritten haben: ärztliche, heilpädagogische, ergotherapeutische, verhaltenstherapeutische, motopädische, psychologische und psychiatrische, logopädische, sprachheilpädagogische usw. Manche davon, berichten die Eltern, waren sicher nicht erfolglos: die Kinder wurden oft zugänglicher, unauffälliger, weniger aggressiv. Dennoch blieb bei den Eltern der Eindruck, dass ihre Erfahrungen und Beobachtungen oft unbeachtet blieben, und das Gefühl: unser Kind kann mehr, als es in Test oder Untersuchungssituationen zeigt…
Für Evotraining ist es deshalb von besonderer Bedeutung, die Eltern (ggf. die nächsten Bezugspersonen) des Kindes zu hören und ihre Berichte nach bestimmten Kriterien diagnostisch zu nutzen. Das Ziel ist, auf diese Weise möglichst früh ein möglichst genaues Bild vom betroffenen Kind zu gewinnen, wobei wir der Ansicht sind, dass der „frühkindliche Autismus“ oder auch nur autistische „Züge“ schon bei Kindern im Alter von 2 – 3 Jahren durch tägliche Verhaltensbeobachtung der Eltern zu erfassen ist.